XXIV. Jahrestagung 2005

17. bis 20. November 2005
in Potsdam

Anwaltsberuf im Umbruch
Tendenzen in Deutschland und Brasilien

Liebe Mitglieder,

unsere diesjährige Tagung wird vom 17. bis 20. November 2005 in Potsdam stattfinden. Hartmut Kayser hat die örtliche Organisation übernommen und ist mit großem Einsatz dabei, eine Tagung auf die Beine zu stellen, die keinen Vergleich mit früheren Tagungen zu scheuen braucht. Dazu wird auch das Thema

Anwaltsberuf im Umbruch
Tendenzen in Deutschland und Brasilien

beitragen. Wolf Paul hat in der ihm eigenen, prägnanten Weise das Konzept unserer Tagung wie folgt skizziert:

Auf den ersten Blick scheint der brasilianische advogado vom deutschen Rechtsanwalt durch Welten getrennt zu sein. Die Unterschiede sind augenfällig. Die brasilianische Anwaltschaft ist mit geschätzten mehr als 600000 Angehörigen erheblich zahlreicher als die deutsche mit ihren gerade mal 130000 Mitgliedern. Sie ist anders organisiert, anders strukturiert, anders ausgebildet, arbeitet unter anderen rechtlichen und gesellschaftlichen Bedingungen. Auch verfügt sie mit dem Ordem dos Advogados do Brasil (OAB) über eine stark personalistisch geprägte Standesorganisation, die ihrem Selbstverständnis nach die brasilianische Juristenschaft als ganze repräsentiert. Der „advogado“ , in Brasilien weitaus angesehener als der Richter und der Rechtsprofessor, bestimmt das im Lande vorherrschende Juristenbild und damit auch den spezifischen Charakter der Rechtskultur in Brasilien. Anders als die deutsche Rechtskultur, die seit den preußischen Justizreformen und den Reichsjustizgesetzen vom Berufs- und Tätigkeitsbild des Richterjuristen geprägt ist, versteht sich die brasilianische Rechtskultur seit ihren praktischen Anfängen als Anwaltskultur. Nach der im Jahre 1827 erfolgten Einrichtung der „cursos jurídicos“ in den eigens geschaffenen Rechtsfakultäten zu Olinda und São Paulo wurde im Jahre 1843 das Instituto dos Advogados Brasileiros gegründet, aus dem im Jahre 1930 der OAB hervorging. Die Anwaltschaft ist politische Kraft in Brasilien. Aus ihren Reihen sind zu allen Zeiten führende Positionen in Politik und Staat besetzt worden. Noch heute ist der bestimmende Einfluss der Anwaltschaft auf Politik und Gesetzgebung institutionell. Weitere Unterschiede zur deutschen Anwaltschaft ergeben sich aus der jeweils anderen Selbstverständnissen und Tätigkeitsprofilen der Anwälte.
Andererseits lassen sich im Vergleich der beiden Anwaltschaften strukturelle Gemeinsamkeiten feststellen. Sie betreffen zum einen die formale Stellung und die Funktion der Anwälte in der Rechtspflege, also das anwaltliche Verfassungs- und Gerichtsverfassungsrecht, das Prozessrecht und das Standesrecht. Die Freiheit der Advokatur, der anwaltliche Organstatus in der Rechtspflege, Anwaltsmonopol, Regeln der Berufsausübung, Ausbildung, Zulassung, Gerichtsbarkeit u.a. bilden vergleichbare Standards.
Zum anderen lassen sich sowohl in Deutschland als auch in Brasilien dramatische Veränderungen und Neuentwicklungen in den Erscheinungsformen anwaltlicher Tätigkeiten feststellen, die auf einen vor aller Augen sich vollziehenden schicksalhaften Umbruch des Anwaltsberufs hindeuten. Derzeit bietet sich in beiden Ländern ein höchst heterogenes Erscheinungsbild. Der sog. Allgemeinanwalt wird zugunsten des Schwerpunkt-, Spezial- und Fachanwaltsanwalts verdrängt, der Prozessanwalt verliert gegenüber dem beratenden Geschäftsanwalt an Bedeutung, die Größenordnungen der Sozietäten sind auffällig verändert, überörtliche und internationale Anwaltsgemeinschaften sind entstanden und profilieren sich, steigende Anwaltszahlen und hoher Wettbewerbsdruck haben zu hoher Arbeitsteilung innerhalb der Anwaltschaften und in der Folge zu deutlichen Klassenunterschieden in den Leistungs- und Einkommensstrukturen der Anwälte geführt. Anpassungszwänge an die Modernisierungs- und Globalisierungstendenz. beherrschen die Dynamik des Umbruchs. Das moderne marktwirtschaftliche Paradigma hat Einzug in die Rechtspflege gehalten, die gesamte Rechtspflege ist zum Rechtsmarkt geworden , der Anwalt wird immer mehr zum gewerblichen Dienstleistungsunternehmer, der Kampf ums Recht wird zunehmend unter kommerziellen Vorzeichen geführt. Als Leitbild gilt die Anwaltsfirma, die commercial law firm. Das traditionelle Berufsrecht ist in vielen Hinsichten zum Hemmschuh der Entwicklung geworden und wird laufend dereguliert, wie sich beispielsweise am Schicksal des Werbeverbots und des Lokalisierungsgebots zeigt.

Wir können uns also ein weiteres Mal auf eine hochinteressante Tagung freuen in historisch bedeutsamer sowie kulturell und landschaftlich / städtisch höchst reizvoller Umgebung. Wir hoffen auf zahlreiches Erscheinen!

Für den Vorstand:

Dr. Jan Curschmann

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Die Jahrestagung der DBJV 2024 wird ab Mittwoch, den 6. November bis Samstag den 9. November 2024 in Salvador da Bahia stattfinden. Der wissenschaftliche Teil findet wie gewohnt am Donnerstag... Weitere Informationen unter Tagung

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